Formulation
Arno Stern nennt die Spuren, die Menschen auf dem Blatt hinterlassen, Formulation. Die Formulation hat einen doppelten Anfang.
Ein kleines Kind hinterlässt Spuren seiner Bewegungen auf dem Blatt. Es dreht den Pinsel mit der Hand und so entstehen die knäulförmigen Giruli. Durch beklopfen des Blattes mit einem Stift oder Pinsel erscheinen viele kleine Punkte. Diese nennt Arno Stern Punktili.
Aus diesen ersten wichtigen Spuren entstehen weitere Äußerungen. Es sind die Erstfiguren, wie die Tropfenfigur. Aus den Punktili entstehen Striche. Wenn das kleine Kind weitermalt, bildet es weitere Erstfiguren, wie die Strahlenfigur, die aussieht wie eine Sonne, und die Grätenfigur, eine Art Leiter oder Ast mit Strichen. Menschen, die Kinder malen und zeichnen lassen wissen das! Es ist für alle Kinder und für alle Menschen so, die das erste Mal zeichnen oder malen. Arno Stern entdeckte das auf seinen Reisen mit dem mobilen Malort:
"Die absolute Ähnlichkeit der Gebilde (gleichwohl ob von Menschen aus dem Urwald, der Wüste, dem Busch, dem Hochgebirge oder der Großstadt stammend) bestätigt, daß die Formulation, vom genetischen Programm bestimmt, in der organischen Erinnerung wurzelt."
Arno Stern
Das Kind malt in der natürlichen, ungestörten Äußerung viele Erstfiguren, die alle Menschen auf der ganzen Welt so malen. Es kommt dann die Absicht hinzu und mit zunehmender motorischer Fähigkeit wird der Raum des Blattes unbekümmert gefüllt.
Die Formulation besteht aus 70 verschiedenen Bestandteilen und folgt zwei Grundprinzipien: Wiederholung und Weiterentwicklung.
So passiert es, dass das Kind ein Bild immer wieder malt, es spielt mit diesen Erstfiguren, wie mit Bauklötzen, so oft es will. Erst aus dem Vergleich dieser Figuren und der Lust etwas darzustellen, entstehen sogenannte Bild-Dinge, wie Blumen, Häuser, Vögel, Menschen, die Erstfiguren enthalten.
Erfahrene Malspielende malen Hauptfiguren. Oben siehst du eine große Hauptfigur ohne Bild-Ding. Es ist keine Kunst, sondern ein Spiel mit Farben und Formen, das aus dem Bedürfnis entsteht, sich auszudrücken und dem Bedürfnis zu wiederholen. Das Malspiel!